Schlafhygiene und Abendrituale

Guter Schlaf beginnt nicht im Bett – er beginnt Stunden vorher, mit den richtigen Gewohnheiten und Ritualen. Gerade bei Chronic Fatigue Syndrome (CFS), Long COVID oder ME/CFS ist eine durchdachte Schlafhygiene oft der Schlüssel zu erholsamerem Schlaf.
In diesem Artikel erfährst du praktische, alltagstaugliche Strategien, wie du mit Schlafhygiene und gezielten Abendritualen deinem Körper helfen kannst, besser zur Ruhe zu kommen und tiefer zu regenerieren.
Was ist Schlafhygiene?
Schlafhygiene bezeichnet alle Verhaltensweisen und Umgebungsfaktoren, die gesunden Schlaf fördern. Es geht nicht um Perfektion, sondern um konstante, schlaffördernde Gewohnheiten, die deinem Nervensystem signalisieren: "Es ist sicher, jetzt loszulassen."
Bei CFS ist Schlafhygiene besonders wichtig, weil das Nervensystem oft überaktiv ist und Schwierigkeiten hat, in den Entspannungsmodus zu wechseln.
Die Grundpfeiler guter Schlafhygiene
1. Regelmäßigkeit
Dein Körper liebt Routine. Ein fester Schlaf-Wach-Rhythmus ist die Basis für stabilen Schlaf.
- • Stehe jeden Tag zur gleichen Zeit auf (auch am Wochenende)
- • Gehe möglichst zur gleichen Zeit ins Bett
- • Vermeide lange Nickerchen tagsüber (max. 20-30 Min.)
- • Gib deinem Körper Zeit, sich an den Rhythmus zu gewöhnen (2-4 Wochen)
2. Optimale Schlafumgebung
Dein Schlafzimmer sollte eine Höhle der Regeneration sein – kühl, dunkel und ruhig.
- • Temperatur: 17-19°C (kühl hilft dem Körper beim Einschlafen)
- • Dunkelheit: Verdunklungsvorhänge oder Schlafmaske
- • Ruhe: Ohrstöpsel oder Weiß-/Rosarauschen bei Lärm
- • Bett nur zum Schlafen: Keine Arbeit, kein Fernsehen im Bett
3. Licht und Bildschirme
Blaues Licht unterdrückt Melatonin – das Schlafhormon. Besonders abends ist Lichtmanagement entscheidend.
- • Vermeide Bildschirme 1-2 Stunden vor dem Schlafengehen
- • Nutze Blaulichtfilter oder Nachtmodus auf Geräten
- • Dimme das Licht ab 20 Uhr (warme, gelbe Lichtquellen)
- • Morgens: Helle Lichtexposition (natürliches Tageslicht) stabilisiert den Rhythmus
4. Ernährung und Substanzen
Was du isst und trinkst, beeinflusst deinen Schlaf mehr, als du denkst.
- • Koffein: Keine Kaffee/Schwarztee nach 14 Uhr
- • Alkohol: Unterbricht Tiefschlaf – besser vermeiden
- • Schwere Mahlzeiten: Mindestens 3h vor dem Schlafen
- • Leichter Snack: Bei Bedarf kleine, proteinhaltige Snacks (z.B. Nüsse)
Kraftvolle Abendrituale für besseren Schlaf
Rituale sind Signale an dein Nervensystem: "Der Tag ist vorbei, es ist Zeit für Erholung." Wähle 2-3 Rituale aus, die sich für dich gut anfühlen, und praktiziere sie jeden Abend zur gleichen Zeit.
Warmes Bad oder Dusche (90 Min. vor dem Schlafengehen)
Ein warmes Bad (38-40°C) erhöht deine Körpertemperatur. Wenn du danach ins kühle Schlafzimmer kommst, sinkt die Temperatur wieder – das signalisiert dem Körper: "Zeit zu schlafen."
- • 15-20 Minuten warmes Bad
- • Optional: Lavendel, Melisse oder Magnesium-Badezusatz
- • Danach langsam abkühlen lassen
Atemübungen (10-15 Minuten)
Tiefe Atmung aktiviert den Parasympathikus (Entspannungsnerv) und beruhigt das Nervensystem.
4-7-8 Atemtechnik nach Dr. Andrew Weil:
- Atme durch die Nase ein und zähle bis 4
- Halte den Atem und zähle bis 7
- Atme durch den Mund aus und zähle bis 8
- Wiederhole 4-8 Zyklen
Gedanken ablegen (5-10 Minuten)
Viele Menschen mit CFS liegen nachts wach und grübeln. Ein kurzes Abendritual hilft, Gedanken loszulassen.
- • Sorgenliste: Schreibe auf, was dich beschäftigt – morgen ist Zeit dafür
- • Dankbarkeitspraxis: Notiere 3 Dinge, für die du heute dankbar bist
- • To-Do für morgen: Schreibe die wichtigsten Aufgaben auf – dann kann dein Kopf loslassen
Progressive Muskelentspannung nach Jacobson
Diese Technik löst körperliche Anspannung und bereitet auf Schlaf vor.
- Lege dich bequem hin
- Spanne nacheinander jede Muskelgruppe für 5-7 Sekunden an (Füße → Beine → Bauch → Arme → Schultern → Gesicht)
- Entspanne die Muskelgruppe bewusst und spüre die Entspannung
- Atme dabei ruhig weiter
- Wiederhole den Durchgang 1-2x
Beruhigender Abendtee
Bestimmte Kräuter haben eine nachweislich beruhigende Wirkung auf das Nervensystem.
- • Baldrian
- • Hopfen
- • Melisse
- • Passionsblume
- • Lavendel
- • Kamille
Tipp: Trinke den Tee 60-90 Minuten vor dem Schlafengehen, damit du nachts nicht aufwachen musst.
Was du abends vermeiden solltest
- ❌ Intensive Diskussionen oder emotional aufwühlende Themen – das aktiviert dein Nervensystem
- ❌ Arbeiten oder anspruchsvolle geistige Aufgaben – der Kopf braucht Zeit, runterzufahren
- ❌ Intensive körperliche Aktivität – Sport am Morgen oder Nachmittag ist ideal
- ❌ Große Mengen Flüssigkeit – sonst musst du nachts raus
- ❌ Grelles Licht – dimme Lampen und warmes Licht ab 20 Uhr
- ❌ Aufregende Filme oder Nachrichten – das Gehirn verarbeitet das nachts weiter
Dein persönliches Abendritual – eine Beispiel-Struktur
Hier ist ein Beispiel, wie du deine Abende gestalten könntest. Passe es an deine Bedürfnisse an!
Letzte Mahlzeit – Leicht verdaulich, nicht zu schwer
Bildschirme aus – Licht dimmen, warmes Licht anmachen
Warmes Bad oder Dusche (15-20 Min.) mit Lavendel
Beruhigender Tee (Baldrian, Hopfen, Melisse)
Gedanken ablegen – 3 Dinge, für die du dankbar bist + Sorgenliste
Im Bett: 4-7-8 Atemtechnik oder Progressive Muskelentspannung
Schlafenszeit – Licht aus, Augen zu, loslassen
Diese Zeiten sind ein Beispiel. Finde heraus, was für deinen Körper am besten funktioniert. Wichtig ist die Konstanz – halte die Zeiten jeden Abend möglichst gleich.
Wichtiger Hinweis bei CFS und ME/CFS
Schlafhygiene ist wichtig – aber sie ersetzt keine medizinische Behandlung. Bei CFS liegen oft biologische Störungen vor (HPA-Achse, Mitochondrien, Neurotransmitter), die zusätzliche Unterstützung brauchen.
Wenn Schlafhygiene allein nicht ausreicht, sprich mit einem CFS-erfahrenen Arzt über weitere Optionen (z.B. niedrig dosiertes Mirtazapin, Melatonin, Magnesium).
Fazit: Kleine Gewohnheiten, große Wirkung
Guter Schlaf entsteht nicht durch eine einzelne Maßnahme – er ist das Ergebnis vieler kleiner, konstanter Gewohnheiten. Wähle 2-3 Strategien aus diesem Artikel, die sich für dich gut anfühlen, und bleibe dabei. Dein Nervensystem wird lernen, wieder zur Ruhe zu kommen.
Gib dir Zeit. Schlafhygiene braucht 2-4 Wochen, bis sie Wirkung zeigt. Sei geduldig mit dir – jeder kleine Schritt zählt.